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Dienstag, 24. März 2015

Alltagshypnose

Liebe Leserinnen und Leser,

es gibt selbst unter Fachleuten immer wieder Diskussionen, was Hypnose ist und was Trance ist. Viele, auch Hypnotherapeuten, reden mit Klienten oder Neulingen davon jemanden „in Hypnose zu versetzen“. Ich selbst stimme eher Milton Erickson zu, der einmal schrieb, dass Trance ein Bewusstseinszustand ist und Hypnose der Weg oder die Methode dort hin. James Tripp wiederum ist bekannt für seine „hypnosis without trance“.

Ich glaube, in einem dürften sich die meisten Leute einig sein: nämlich dass dieser veränderte Bewusstseinszustand, ob wir ihn nun Trance oder Hypnose nennen, ein alltägliches Phänomen darstellt. Für diesen Bewusstseinszustand braucht es nicht einmal zwingend eine zweite Person und nicht unbedingt Worte. Im Folgenden möchte ich ein paar typische Beispiele beschreiben und was für ein Phänomen dahinter stecken.

Ein typisches Beispiel für Amnesie, also Gedächtnisverlust, ist wenn man von einem Ort zu einem anderen fährt und am Ziel angekommen, keine Erinnerung mehr daran hat, wie man dort hin gekommen ist. Ich meine nicht, dass man vergessen hätte, ob man mit dem Auto oder Bus gefahren ist, sondern Details über die Strecke oder Vorkommnisse auf dem Weg. Irrelevante Details werden ausgeblendet.

An einem Arbeitstag bei der Alzheimer Gesellschaft (ausgerechnet dort!) erlebte ich auch einmal, dass mehrere Kollegen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den Raum kamen und obwohl nichts und niemand sie unterbrochen hatte in ihrer Handlung, kamen sie rein und stockten sofort mit einem verzweifelten Blick und der Frage: „Was wollte ich hier?“ Oder: „Warum bin ich hier?“ Obwohl die anderen Anwesenden sie nicht unterbrochen haben, hatte etwas oder jemand auf dem Weg sie in ihren ursprünglichen Gedanken gestört, die sie zu diesem Raum geführt hatten. Der ursprüngliche Gedanke war überdeckt von anderen und damit der Grund in den Raum zu kommen vergessen.

Die bereits im vorigen Eintrag erwähnte Augenfixation erfordert unbedingt eine glänzende Scheibe als Fixierpunkt, genau so wenig wie eine pendelnde Taschenuhr. Vor allem Kinder können ganz einfach durch eine brennende Kerze genau so gut in sich versinken. Ich selbst musste einmal bei einem Arzt über drei Stunden im Wartezimmer warten. Zeitschriften waren zwar ausgelegt und ich hatte auch ziemlich sicher ein Buch dabei, aber ich starrte nur auf die Wand gegenüber von mir und hoffte bloß inständig, dass ich noch genug anwesend war und schnell genug reagieren würde, wenn ich endlich einmal aufgerufen würde. Da ich mich bewusst nur wenig später wieder aus diesem Zustand heraus holte, verpasste ich meinen Aufruf tatsächlich nicht. Alles, was ich brauchte war einen Punkt und die Wand hatte nichts besonderes an sich, sie war schlicht weiß. Man wählt nur oft gerne einen leuchtenden oder glitzernden Punkt, weil dieser wohl eben durch die Helligkeit auffällig ist.

Immer wieder kann es auch passieren, dass wir einen blauen Fleck an uns entdecken, aber keine Erinnerung mehr daran haben, uns gestoßen zu haben. Das ist nichts anderes als Schmerzkontrolle, Anästhesie und damit Trance bzw. Hypnose. Das gilt auch für die Möglichkeiten der Schmerzkontrolle, die ich bereits in einem vorigen Eintrag erwähnt hatte, auch wenn ich in diesem Eintrag bewusst auf die Worte Trance und Hypnose verzichtete.

Zwei Phänomene sind bei Kindern sehr typisch und sollten, meiner Meinung nach, weil es sich um Kinder handelt, nicht all zu negativ oder böse gesehen werden. Das eine ist positiv halluzinieren: das heißt etwas zu sehen, was nicht real existiert. So wird beispielsweise immer wieder von Kindern berichtet, die „unsichtbare Freunde“ haben. Eine Umkehrung des Phänomens wäre das negativ Halluzinieren: besonders ärgerlich, wenn man zum Beispiel gerade wegfahren will und seine Hausschlüssel oder Autoschlüssel nicht findet, viele Male einen Tisch nach ihnen absucht und nach vielen vergeblichen Versuchen steht man nun wieder vor dem Tisch und plötzlich sind die Schlüssel ganz offen und deutlich sichtbar auf dem Tisch. Warum haben wir sie vorher nicht gesehen?

Doch das negativ Halluzinieren ist nicht nur beschränkt auf das Sehen. Zum Ärger der Eltern sind Kinder manchmal derart in ihrer Welt versunken, dass sie die Rufe der Eltern gar nicht hören. Das ist nicht unbedingt böswilliges Weghören, sondern kann auch einfach ein Zeichen sein, dass die Kinder so tief versunken sind in ihre Aktivitäten, dass alle Reize, die nicht unmittelbar zur Aktivität gehören ausgeblendet werden. Liebe Eltern: das ist ein normales Phänomen! In diesem Zusammenhang ist bei vermeintlich häufig trotzigen Kindern festzustellen, ob sie sich bewusst verweigern als Verhaltensproblem, Hörprobleme haben oder versunken in ihre Aktivitäten sind und dadurch nicht hören. Die Reformpädagogin Maria Montessori beschrieb das Phänomen von Kindern, die völlig versunken sind und wo andere deutlich laute Kinder diese sie in keiner Weise ablenkten oder störten. Soweit ich weiß hat Montessori dabei nie von Hypnose oder Trance geschrieben oder gesprochen. Wobei ich nur einige Grundprinzipien ihrer Gedanken im Studium kennen lernte. Den Begriff, den Montessori benutzte für diesen konzentrierten Bewusstseinszustand ist „flow“.

Buchliebhaber und Filmfans wissen, wie bei einem guten Buch oder Film sehr schnell Stunden vergehen können, die wie Minuten erscheinen. Zeitverzerrung ist auch ein typisches Trance- bzw. Hypnose-Phänomen. Leider nutzen wir dieses Phänomen oft nicht zu unseren Gunsten aus. Damit verfliegen schöne Momente viel zu schnell und Situationen, die wir am liebsten schnell hinter uns bringen wollen ziehen sich wie Kaugummi. Es gibt Möglichkeiten, die Wahrnehmung zu unseren Gunsten zu manipulieren. Nicht nur, dass uns warm sein kann, wenn es objektiv kalt ist oder umgekehrt, auch unsere Wahrnehmung der Zeit können wir bewusst beeinflussen. Wir müssen nur herausfinden, wie unsere individuelle Zeitwahrnehmung funktioniert und durch welch Faktoren sie beeinflusst wird.

Einer meiner Lieblingsphänomene ist die „Ampel-Trance“, wie ich sie nenne. Eine Reihe Autos steht an der roten Ampel. Alle starren auf die Ampel und wenn die Ampel umspringt ist unweigerlich immer mal auch ein Autofahrer dabei, der nicht umspringt. Das merken wir daran, dass ein Fahrer der hinteren Autos dann ungeduldig hupt. Auch hier ist die bereits erwähnte Augenfixation „Schuld“ daran.

Ich hoffe, ich konnte ein wenig deutlich machen, dass Trance bzw. Hypnose etwas normales, sogar alltägliches ist. Oft benennen wir es nur nicht mit diesen Begriffen. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen weniger Angst vor den Begriffen und Phänomenen haben, die mit Trance und Hypnose verbunden sind. Leider denken noch heute viele, dass Hypnose etwas mit Kontrollverlust zu tun hat und man damit zum bösen Verbrecher wird oder bei Hypnose-Shows sich völlig lächerlich macht. Hypnose ist weitaus mehr als das. Vor allem ist es etwas völlig normales. Die von mir hier genannten Phänomene sind nur ein paar Beispiele. Vielleicht fallen euch selbst Situationen ein, die ihr erlebt habt. Wenn ihr sie mitteilen wollt, schreibt einen Kommentar. Ich würde mich freuen von euch zu lesen.

Bis zum nächsten Blog,
sarah

Freitag, 20. März 2015

Was zur... Hypnose

Liebe Leserinnen und Leser,

Hypnose ist, wenn jemand eine Taschenuhr hin und her schwingt und zählt und auf dich einredet, dann kannst du irgendwann die Augen nicht mehr offen halten und schläfst. Das ist bestenfalls wie sich viele Show-Hypnose vorstellen.

Das hier sollte eigentlich ein Eintrag werden, um einige Hypnose-Menschen vorzustellen, vor allem Hypnotherapeuten, also Leuten, die Hypnose als Therapie anwenden, kombiniert mit ein bisschen Geschichte der Hypnose. Das war für Februar geplant. Wie ihr sehen könnt, habe ich daraufhin im Februar gar nichts geschrieben.

Die Wahrheit ist, dass ich fast keine Ahnung habe über die Geschichte von Hypnose. Ich habe zwei, drei allgemeine Bücher über Hypnose gelesen. Darin stand natürlich auch etwas zur Geschichte und Namen berühmter Leute aus vergangener Zeit. YouTube sei Dank konnte ich einige Hypnotiseure und Hypnotherapeuten in Interviews und bei Demonstrationen oder Seminaren sehen. Doch bis auf Dr. Milton Erickson kenne ich die meisten kaum mehr als mit Namen.

Hinzu kommt, dass ich in den letzten Monaten gemerkt habe, wie ich Dinge, die mir, sagen wir ein halbes Jahr vorher, noch vertraut waren, heute vergessen habe. Inklusive Begriffen, die ich zu der Zeit problemlos hätte erklären oder zumindest verwenden können. Werde ich alt? Oder werde ich wie Sherlock Holmes, der keine Ahnung hat, dass die Erde sich um die Sonne dreht, weil es irrelevant für sein Leben ist?

Hier ist, was ich weiß und euch gerne mitteilen möchte, ohne dass ich (meine) Bücher konsultieren müsste: meine Geschichte der Hypnose. (Geständnis: Ich habe zwar kein Buch benutzt, aber die Daten bei wikipedia nachgeschaut.)

Der Name, der oft genannt wird als quasi der Vater der Hypnose bzw. Hypnotherapie, ist Franz Anton Mesmer (1734-1815). Vor Jahren mochte ich den Schauspieler Alan Rickman sehr. Ich mag ihn noch heute, nur dass ich über aktuellere Projekte und Filme von ihm jetzt nicht mehr so vertraut bin wie vor einigen Jahren. 1994 hat er jedenfalls in dem Film „Mesmer“ eben jenen gespielt. Die Rahmenhandlung des Filmes ist eine Gerichtsverhandlung, der sich Mesmer stellen muss. Die Behandlungsmethoden dieses Arztes sind so ungewöhnlich für seine Zeit, dass er für viele ein Scharlatan sein muss. Deshalb steht er vor Gericht. Ich las später ein paar Bücher über Mesmer, um herauszufinden, was von der Geschichte im Film wirklich passiert war. Ohne es zu wissen, war das wohl meine Einstieg zur Hypnose und Hypnotherapie. Wobei Mesmer das, was er praktizierte nicht Hypnose nannte. Anfangs arbeitete er mit Magneten. In einem Buch las ich die Geschichte, dass er in einer Art Parade dabei war und gebeten wurde zu helfen, da kein anderer Arzt unmittelbar in der Nähe war. Er ließ sich zu der kranken Person führen und stellte erst dort fest, dass er seine Magnete in der Kutsche bei der Parade hatte liegen lassen. Wenn leblose Steine und Magnete helfen konnten und er, Mesmer doch ein warmes Lebewesen voll Energie ist, müsste es doch möglich sein, dass er durch Berührung und Streichen mit den Händen helfen könnte. Er konnte dann tatsächlich helfen, wobei er nach diesem Erlebnis auf die Magnete verzichtete. Er bezeichnete das, was er machte als „animalen Magnetismus“. Heute ist es auch als „Mesmerismus“ bekannt. Sein Name ist sogar zu einem Adjektiv im Englischen geworden als „mesmerising“ (um etwas zu beschreiben, was faszinierend, hypnotisierend ist).

Unabhängig von Mesmer damals, geht auch die chinesische Medizin von einer Energie aus, dem Chi oder Qi. Das Reiki ist bis heute eine praktizierte Methode, bei der die Hände zur Heilung genutzt werden.

Doch Mesmer war nicht ganz der Anfang. Schon die Ägypter und Griechen kannten Schlaftempel. Priester, die zu der Zeit auch als Ärzte fungierten, heilten durch Rieten und indem sie die Kranken in einen heilenden Schlaf versetzten von vielen verschiedenen Krankheiten.

Die Wunderheilungen von Jesus, seinen Jüngern und den frühen Christen dürften größtenteils genau so auf Hypnose zurückzuführen sein. Handauflegungen und Fixierung der Augen (Fixation) z. B. durch eine glänzende Metallscheibe, sind dabei typische Praktiken.

Ein weiterer bekannter Chirurg, den man kennen sollte ist der Schotte James Braid (1795-1860). Auch er beschäftigte sich mit Magnetismus und prägte den Begriff „Neurypnology“ (Neurohypnotismus), also immer noch nicht „Hypnose“ als Begriff. Zur Zeit von Braid steckte die Anästhesie noch in den Kinderschuhen. Sein Buch heißt: Neurypnology; Or, the Rationale of Nervous Sleep Considered in Relation with Animal Magnetism

James Esdaile (1808–1859) wiederum erinnert mich ein wenig an Erickson. Esdaile litt an Asthma und zog von Großbritannien nach Indien, in der Hoffnung, dass ihm das Klima dort besser bekäme. Erickson ließ sich nach einem Fahrradunfall impfen, bekam allerdings von der Impfung einen anaphylaktischen Schock, an dem er fast starb und in dessen Folgen er Allergien entwickelte. Er zog daraufhin nach Phoenix, Arzizona. Es sollte jedenfalls nicht groß wundern, dass Esdailes Buchtitel lautet: Mesmerism in India and Its Practical Application in Surgery and Medicine.

Ein weiterer Arzt, der erwähnt werden sollte ist der Psychiater und Neurologe Hippolyte Bernheim (1840-1919), der sich mit der Wirkung von Suggestionen beschäftigte. Suggestionen sind ein wichtiger Aspekt bei Hypnose und in der Hypnotherapie. Entsprechend war seine Therapieform die „suggestive Therapie“, über die er auch mehrere Bücher schrieb, zum Beispiel: Über die Suggestion und ihre Anwendung in der Therapie.

Der sogenannte russische Wunderheiler Rasputin (1869-1916) hat übrigens auch Hypnose angewendet, vor allem um den Zarensohn zu helfen, wenn er wieder Blutungen hatte. Von Wunderheilungen im Bezug auf den Zarensohn zu sprechen, halte ich allerdings für unangebracht. Denn geheilt hat Rasputin ihn von der Bluterkrankheit (Hämophilie) nicht. Er hat lediglich die Blutungen gestoppt. Mehr über Rasputin in einem späteren Eintrag.

Was viele sicher nicht wissen: bevor Sigmund Freud (1856-1939) seine Psychoanalyse entwickelte, studierte er bei dem Neurologen Jean-Martin Charcot (1825-1893) und wandte Hypnose an. Später wendete er sich von er Hypnose ab. Sicherlich teils, um sich seinen eigenen Ideen und der Psychoanalyse zu widmen. Zum Teil könnte ich mir auch vorstellen, dass ihm Nähe zu Klienten und evtl. diese zu berühren nicht gefiel, wo doch gerade ein Aspekt der Psychoanalyse ist, dass man Abstand hält und so wenig wie möglich eingreift.

Wenn ich ausführlicher schreiben sollte, könnte ich ein Buch schreiben und müsste doch mehr nachschauen. Für heute soll es mit den genannten Personen erst einmal genug sein. Sollten Hypnotiseure und Hypnotherapeuten oder Hypnose-Enthusiasten diesen Eintrag lesen, würde ich mich über ergänzende Namen und Anmerkungen freuen.

Bis zum nächsten Blog,
sarah

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Sei besser viele

Liebe Leserinnen und Leser,

vor dem Film "Das Schweigen der Lämmer" war das gleichnamige Buch von Thomas Harris und vor dem Buch war das Buch "Roter Drache". (Letzteres übrigens zweimal verfilmt, eimmal 1986 unter dem Titel "Manhunter - Roter Drache" mit William Petersen in der Hauptrolle des Ermittlers und Brian Cox als Dr. Hannibal Lecter. Die Verfilmung aus dem Jahr 2002 hat Edward Norton als Ermittler und Anthony Hopkins in seiner Paraderolle als Dr. Hannibal Lecter.) In "Roter Drache" geht es um den ehemaligen FBI Agenten Will Graham. Dieser wurde berühmt, indem er half, Lecter als Täter zu identifizieren und festzunehmen.

Der ehemalige Vorgesetzte besucht Graham und bittet ihn um Hilfe bei brutalen Morden an zwei Familie. Diesem fällt auf, dass im Verlauf des intensiven Gespräches, Graham immer mehr die Syntax und den Rhythmus seines Gesprächspartners übernimmt. Graham tut dies nicht bewusst, um eine Beziehung zu seinen Gesprächspartnern aufzubauen, sondern unbewusst.

Auch mir ist das passiert und aufgefallen. Einmal war ich für eine gute Woche bei meiner Tante in Hamburg und nach zwei, drei Tagen, fiel mir auf, dass ich plötzlich ganz anders sprach als sonst. Wieder zuhause sprach ich wieder wie sonst auch.

Angehende Personen im sozialen Bereich, so wie Therapeuten, werden darauf hingewiesen, auf die Stimme, Rhythmus, Tempo und Wortwahl ihrer Klienten zu achten und das eigene Sprechen daran anzupassen. Das schafft auf einer unbewussten Ebene Sympathie und Verbundenheit zwischen den Gesprächspartnern.

Es gibt den Spruch, dass der Hund oft dem Besitzer gleicht. Das ist kein Wunder, zumal wenn sie bereits lange miteinander wohnen und leben. Ein Angleichen geschieht also nicht nur auf der sprachlichen Ebene, sondern auch im Aussehen oder in Gesten und Körperhaltung. Manchmal bewusst, meistens eher unbewusst.

Auf diese Weise können auch Trends gesetzt werden. Wir mögen eine Person und uns gefällt, was sie trägt oder wie sie etwas trägt, also übernehmen wir es. Über viele Jahre trug ich meine Armbanduhr mit dem Zifferblatt an der Innenseite meines Handgelenkes. Ich hatte gesehen, dass Bruce Willis seine Uhr in vielen Filmen so trägt und auch Matt Smith in seiner Darstellung als der 11. Doctor in "Doctor Who" schaut in wenigstens zwei Episoden auf seine Armbanduhr, deren Zifferblatt am inneren Handgelenk ist. Seit einigen Wochen, ebenfalls wie der 11. Doctor, trage ich eine Taschenuhr. Meine Armbanduhr trage ich zurzeit gar nicht mehr. Nein, es ist nicht die Eulen-Taschenuhr, die ich mir im April geholt hatte. Es ist eine richtige Taschenuhr mit Klipper zum Befestigen am Taschenrand und mit Kette. Ich dachte vor allem an Derren Brown und Hypnotiseure allgemein, von denen man doch fast erwartet, dass sie einem mit der Taschenuhr vor dem Gesicht wedeln, um einen in Trance zu versetzen. Meine Taschenuhr hat also nichts mit dem Doctor zu tun!!!

Solche Dinge können wie kleine Glücksbringer oder Mutmacher wirken. Jedenfalls ist es bei mir so. Einen Schal zu tragen wie Benedict Cumberbatch als Sherlock Holmes beispielsweise. Möglicherweise ein Schal in lila, die Lieblingsfarbe von Milton Erickson...

David Calof war ein Schüler von Milton Erickson. In seinem Audio-Set "Hypnotic Techniques" steigt er ein mit der Bemerkung: "Ich bin einer der Leute, die glauben, dass Ericksonismus 1980 starb, als Erickson starb und dass wir tatsächlich in einer Post-Erickson Ära sind. " Er würde also nicht hier stehen und sagen, er wäre Ericksonisch. Obwohl er das Privileg hatte, bei ihm zu studieren. Er wäre nicht Ericksonisch. Er nehme an, er wäre Calofisch. Das ist zunächst zwar eine ganz witzige Bemerkung und vielleicht auch ein bisschen arrogant. Man mag darüber streiten, ob Ericksonismus wirklich nur von Erickson selbst betrieben werden konnte und damit in der Tat mit Erickson starb. Die "reinste" Form sicherlich. Erickson war als Mensch und Therapeut unglaublich komplex und vielschichtig. Keine Person alleine wird ihn völlig erfassen und selbst verinnerlichen können. Und keiner sollte es, meiner Meinung nach. Erickson war ein Genie in dem, was er tat und wie er es tat. Nur um des Genies Willen sein zu wollen wie er und ihm in seinem Handeln gleich zu werden, wäre nur eine Kopie. Erickson war sehr kreativ und hat in seiner Zeit die Psychotherapie und Hypnotherapie revolutioniert. Es lohnt sich, sich mit seiner Herangehensweise und Arbeitsweise auseinanderzusetzen. Am Ende sollte jedoch jeder seine eigene Therapieweise für sich finden. Es wäre schade, nur eine billige Kopie eines anderen zu werden. Vor allem gibt es nicht nur Erickson, der mit seinen Ansätzen gutes geleistet hat. Auch Calof sagt, er hätte auch die Grenzen von Ericksons Arbeitsweise kennen gelernt. (Leider, wie ich finde, geht er nicht weiter auf diese Grenzen ein. Mich würde interessieren, wo er die Grenzen wahrnimmt.)

Außerdem: so sehr man als Therapeut möglicherweise eine Therapieart oder eine Methode innerhalb einer Therapieart bevorzugt: nicht jeder Mensch spricht gleich gut auf diese eine Methode an. Das wäre auch für Therapeuten langweilig, denn dann bräuchten alle nur die eine Therapieform lernen und ausüben und alle würden nur auf diese eine Weise geheilt und ihnen geholfen werden. Das wäre doch langweilig, oder? Wie Betty Alice Erickson, eine von Milton Ericksons Töchter in einem Interview mit Paul Anwandter sagt: "Man kann keine eine Regel der Psychotherapie haben, die für alle gilt." (You can't have a rule of psychotherapy that applies to everyone.)

Wie Ralph Waldo Emerson bereits sagte: "Versuche niemals jemanden so zu machen, wie du selbst bist. Du solltest wissen, dass einer von deiner Sorte genug ist." Genau so sollten wir die anderen als Individuen respektieren und nicht so werden wollen wie eine einzelne Person. Im ungünstigsten Fall wären wir nicht nur sprichwörtlich eine "billige Kopie" und im besten Fall würden die Leute immer noch von uns reden als jemand wie xy.

Als Kind hatte ich eine Decke aus verschiedenen viereckigen Mustern zusammen genäht. Eine schöne, bunte Patchwork-Decke. Das würde ich mir für uns alle wünschen, dass wir in unserem Handeln, Denken und Aussehen eine bunte Patchwork Person werden. Uns einzelne Aspekte von vielen, verschiedenen anderen nehmen und sinnvoll nutzen. Alles andere wären langweilige billige Kopien. Das braucht niemand.

Bis zum nächsten Blog,

sarah

Mittwoch, 10. April 2013

Was für ein Geschrei

Liebe Leserinnen und Leser,

nachdem ich mich nun über Sherlock Holmes ausgelassen habe, zurück zu Milton Erickson und Hypnose. Erickson mochte Eulen und hat einige auch selbst geschnitzt aus Holz. Aus irgendwelchen Gründen gibt es dieses Klischee, dass Hypnotiseure eine Taschenuhr haben und mit dieser vor den Augen ihrer Testperson wedeln. Nun, ich habe im Internet beides gefunden: eine Taschenuhr als Eule. Das Besondere an dieser Uhr ist, dass die Flügel die Uhr verdeckt. Man muss die Ohren zusammendrücken. Dadurch gehen die Flügel auseinander und offenbaren die Uhr. Falls ihr selbst so eine haben wollt, sucht mit den Stichworten "Eule Taschenuhr". Es gibt sie billig bei eBay und amazon in verschiedenen Farben.

Vor einigen Jahren stieß ich auf ein Video von Harlan Kilstein in dem er eine Erickson Eulen Geschichte erzählte. In späten Jahren war Erickson körperlich sehr krank. Aber er hatte noch immer den Ruf sehr scharf zu beobachten und er gab noch immer in einem kleinen Raum auf seinem Grundstück Unterricht. Einmal wollte eine Gruppe von Schülern Ericksons Beobachtungsgabe testen. In dem Raum, wo Erickson unterrichtete, gab es viele Figuren. Der Plan war, eine Figur auf die Seite zu legen und abzuwarten, ob Erickson das sehen würde und wie er reagiert. Sie entschieden sich für eine Eulenfigur und warteten dann, dass Erickson von seiner Frau im Rollstuhl gebracht wurde. Die Figur war in einem Winkel zu Erickson, den er während des Unterrichts nicht direkt sehen konnte. Erickson kam in den Raum. Keine Reaktion. Er gab ganz wie üblich seine Stunden und ließ sich dann von seiner Frau abholen. Als sie an der Tür ist mit ihm, ruft er: "Stop!" Alle erstarren. Erickson sagte, "Das Ding, von dem Sie sich fragten, ob ich es bemerken würde... I don't give a hoot about it." Der letzte Teil ist doppeldeutig. Einerseits heißt es: "Es ist mir egal." Ein "hoot" ist aber auch der Schrei einer Eule. Erickson wusste also ganz genau nicht nur, was sie gemacht hatten, sondern auch warum, dass es ein Test war und was für eine Art Test und sein Kommentar dazu ist knapp, aber Punkt genau und wunderbar doppeldeutig.

Bis zum nächsten Blog,

sarah

Montag, 1. April 2013

Abduktion, Deduktion und Induktion

Liebe Leserinnen und Leser,

ich weiß mir leider keinen anderen Rat, als diesen Blogeintrag heute wissenschaftlich zu machen.

Vorweg noch drei Dinge

1. Ich war nicht sonderlich wissenschaftlich im letzten Eintrag. Ich habe vergessen, die Namen der Serien zu erwähnen. Bei der BBC-Produktion handelt es sich um die Serie "Sherlock". Die amerikanische Serie läuft unter dem Titel "Elementary". Beide wiederum laufen im deutschen Fernsehen auch unter diesen Titeln.

2. Es mag einige von euch überraschen, aber so analytisch und wissenschaftlich wie Holmes war, so unwissenschaftlich und leichtgläubig war sein Erfinder. Doyle glaubte fest an die Existenz von Feen. Ebenso ist kaum zu glauben, dass Harry Houdini und Arthur Conan Doyle eine Zeit lang befreundet waren. Ihre unterschiedlichen Auffassungen über Spiritismus führten aber dazu, dass die Freundschaft auseinanderging.

3. Die Macher von "Sherlock" haben sich sichtlich Mühe gegeben. Sherlock hat eine Homepage The Science of Deduction, die tatsächlich existiert. Auch kann Dr. John Watsons Blog gelesen werden, inklusive Kommentaren von Holmes und anderen!!! Andere Charaktere, die in der Serie vor kommen, könnten mit ihren Internetseiten gefunden werden: Molly Hoopers Blog und das Forum von Connie Prince. Letztere beiden sind aber höchstens interessant für Leute, die die Serie und damit die Personen kennen.

In gewisser Weise ist selbst Sherlock Holmes' Homepage eher nur für Kenner und Fans der Serie. Außerdem ist der Titel der Seite im Grunde falsch. Sherlock Holmes nutzt gerade nicht die Deduktion für seine Ermittlungen. Das ist ein Fehler, der nicht nur in der Serie falsch ist, sondern auch in den Büchern von Doyle. Auf imdb.com findet sich ein entsprechender Hinweis auf diesen Fehler.

Zugegeben, die einzelnen Schlussfolgerungen: Abduktion, Deduktion und Induktion, sind eine knifflige Angelegenheit und ihre Unterscheidung nicht ganz leicht. Die Unterschiede sind sehr fein.

Die Unterschiede zwischen Induktion und Deduktion sind noch verhältnismäßig einfach zu erklären. Bei der

Deduktion wird eine allgemeine generelle Regel aufgestellt. Davon ausgehend wird eine weitere sichere Regel aufgestellt. Wenn bzw. da beide zutreffen, kommt man am Ende zu einer Lösung, die sicher ist. Diese Art der Schlussfolgerungen findet sich in der Mathematik wieder, zum Beispiel bei Gleichungen mit Unbekannten:

Wenn x = 2
und wenn y = 3,
dann ist 2 x + y = 7

Mathematik ist oft sehr theoretisch. Drücken wir das ganze einmal anders aus:

Wenn Chaos in einem System erhöht wird, außer man führt ihm Energie zu,
und wenn meine Wohnung ein System ist,
dann sollte ich, sofern ich nicht im Chaos versinken will, Energie rein stecken und die Wohnung sauber und ordendlich halten.

Die Induktion ist von einer einzelnen Sache als etwas wahres auszugehen. Darauf aufbauend wird dann eine allgemeine Gültigkeit formuliert. Eine Lösung ist dabei zwar wahrscheinlich, aber nicht völlig sicher. Es gibt da das Gedankenspiel vom weißen Schwan. Wenn wir viele weiße Schwäne sehen, können wir davon ausgehen, dass es weiße Schwäne gibt. Allerdings wäre es falsch, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass alle Schwäne weiß sind oder dass es nur weiße Schwäne gibt. In der Forschung, wo es um das Sammeln und Erfassen von Daten geht, finden wir diese Denkweise wieder.

Bei der Abduktion wird etwas beobachtet und nach einer möglichen Erklärung gesucht, die das Beobachtete wahrscheinlich macht als Ausgang. Der Theoretiker Charles Sanders Peirce hat die Abduktion eingeführt und erklärt sie so:

„Die überraschende Tatsache C wird beobachtet; aber wenn A wahr wäre, würde C eine Selbstverständlichkeit sein; folglich besteht Grund zu vermuten, daß A wahr ist.“

Das Finden einer Lösung ist letztlich ein Schuss ins Blaue und höchst unbefriedigend. Dass die gefundene Lösung der Wahrheit entspricht könnte stimmen, könnte aber auch nicht stimmen. In der Medizin findet sich diese Denkweise wieder. Der Patient berichtet von Symptomen und der Arzt muss sich überlegen, welche Krankheit zu diesen Symptomen führt, um dann entsprechend zu behandeln. Auch bei Gerichtsverhandlungen findet man die Abduktion wieder: hat die Verteidigung oder die Anklage die besten Argumente die Situation am besten zu erklären?

Insofern stimmt es wohl, dass Holmes nicht die Deduktion, sondern die Abduktion anwendet. Er kann nicht sicher sein, dass der Tatort alle Fakten zeigt, die zu dem Verbrechen geführt haben. Damit sind Holmes' Schlussfolgerungen höchst wahrscheinlich unvollständig und damit nichts mehr als ein Schuss ins Blaue.

Arthur Conan Doyle hat den bereits im letzten Eintrag erwähnten Dr. Joseph Bell als Vorbild gehabt für Holmes. Ein weiterer Arzt, der ebenfalls sehr gut beobachten und seine Schlüsse ziehen konnte war Dr. Milton Erickson. Sidney Rosen beschreibt eine Geschichte in seinem Buch Die Lehrgeschichten von Milton H. Erickson, die Ericksons Beobachtungs- und Kombinationsgabe deutlich macht. Die Geschichte heißt "Der richtige Psychiater":

Eine junge, hübsche Frau kam zu Erickson. Sie war sehr verzweifelt. Sämtliche Psychiater, die bei denen sie vorher gewesen war, hatten sie nicht zufrieden gestellt. Entsprechend war sie bei Erickson unsicher, ob er ihr helfen könnte. Er schrieb sich einige Daten zu der jungen Frau auf und sagte dann, er sei der richtige Psychiater. Er könnte das beweisen mit einer Frage. Aber diese Frage würde ihr nicht gefallen. Die Frau wollte die Frage trotzdem hören. Also fragte Erickson sie: "Wie lange tragen Sie schon Frauenkleider?" Erickson hatte gesehen, wie die Frau einen Fussel vom Ärmel entfernt hatte in einer direkten Bewegung, ohne Rücksicht auf die Brust, wie sie Frauen nehmen würden.

Es gibt außerdem noch ein Video mit Tim Minchin, im dem er über die menschliche Logik spricht und einen weiteren Aspekt der Logik anspricht. (Natürlich auf Englisch.)

Bis zum nächsten Blog,

sarah

Sonntag, 16. Dezember 2012

Ericksonisches Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk

Liebe Leserinnen und Leser,

Sidney Rosen hat in seinem Buch Die Lehrgeschichten von Milton H. Erickson eine Geschichte ("Schwielen"), die von einem Bauarbeiter handelt, der gestürzt war und seither völig gelähmt unter Schmerzen litt. Er fragte Erickson, was er tun könnte. Erickson meinte, dass es nicht viel sei, was er tun könnte. Sich Schwielen an den Schmerznerven entwickeln, dann würde er den Schmerz nicht so stark empfinden. Erickson schlug ihm vor, Comics, Witze und lustige Aussprüche zu sammeln und Hefte daraus zu machen, um sie Kollegen, wenn sie im Krankenhaus wären, zu geben. Das war auch, was der Mann dann machte.

Das war auch, was ich letztes Jahr einer meiner Tanten machte mit einer mühsam zusammen gesammelten Sammlung von Comics mit Snoopy von den Peanuts. Meine Tante hatte über viele Jahrzehnte immer einen Hund. Jetzt nicht mehr, damit sie ein bisschen einfacher reisen kann. Ich fragte meinen Vater, ob er glaubte, dass sie gerne Comics lesen würde. Er bezweifelte das. Als ich ihm dann aber von meiner Idee erzählte, meinte er, dass sie sich bestimmt freuen würde. Also sammelte ich und klebte dann ein dünnes Heftchen mit den Comics voll und schrieb ihr eine Karte, in der sinngemäß stand, dass mein Vater mir zwar gesagt hätte, sie würde keine Comics lesen. Aber dieser hier wäre etwas ganz besonderes. Später rief sie mich an, um sich zu bedanken und sagte mir, dass sie jeden Tag ein oder zwei Seiten lesen würde.

Unsere Tageszeitung hat auf der Titelseite immer ein Zitat passend zu einer der großen Artikel auf der Seite. Einige davon habe ich in den letzten Monaten gesammelt für ein weiteres Heft, das ich zufällig in unserer Wohnung fand vor einiger Zeit. Keiner wollte das Heft mehr haben, aber es war schön klein und rot. Meine Freundin und Kollegin auf der Arbeit mag rot und Sprüche. Das Heft ist gerade groß genug, um einen Spruch auf einer Seite zu haben und die Seiten sind perforiert, dass man sie raustrennen könnte. Also habe ich die letzten Tage jetzt damit verbracht, die Sprüche zu sortieren möglichst passend, dass vorne und hinten auf einer Seite die Sprüche sich in irgendeiner Weise halbwegs ergänzten. Gestern ging ich die Ordnung ein letztes Mal durch und schnitt die Zitate ordentlich zurecht. Viele davon habe ich noch mal raus geschrieben, damit ich die Sprüche auch habe für mich. Ich war gestern bis halb drei morgens wach. Die Zeit verging unbemerkt. Ich hatte deutsch geschrieben und Derren Brown auf englisch im Ohr, wie er sein Buch las. Es muss Hypnose gewesen sein. Abgesehen davon, dass die Zeit so schnell vergangen war, konnte ich mich selbst kurze Zeit später im Bett nicht mehr bewusst erinnern, welche Sprüche ich aufgeschrieben hatte oder was ich von Derren Brown gehöt hatte. Amnesie. Trance ist ein natürliches Phänomen und ich mache mir keine Gedanken darüber, dass ich jetzt von den Sprüchen oder dem Hörbuch kaum etwas bewusst weiß. Es hat Spaß gemacht und vor allem ist das Buch jetzt endlich vor Weihnachten noch fertig geworden. Das ist alles, was zählt.

Ich möchte den Leser allerdings warnen: solche Hefte, auch kleine dünne kosten Zeit und wenn man nicht gerade schon eine große Sprüchesammlung hat, sollte man lange genug im Voraus planen für so ein Geschenk. Ich habe mir bei beiden Heften, die ich gemacht habe bewusst Zeit gelassen. Musste ich ja auch. Die Zeitung kam ja immer nur einmal täglich und nicht immer war ein Spruch oder Comic dabei, den ich gebrauchen konnte. Planungszeitraum: besser Monate im Voraus.

Bis zum nächsten Blog,

sarah

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Wenn Schnee draußen ist, denke ich...

Liebe Leserinnen und Leser,

seit einigen Tagen schneit es hier bei uns und wenn Schnee draußen ist, denke ich an zwei Geschichten von Erickson:

Die eine Geschichte findet sich in Sidney Rosens Buch Die Lehrgeschichten von Milton H. Erickson und heißt dort "Gehen auf Glatteis". Während des Krieges war Erickson einmal auf dem Weg zur Arbeit: das Einberufungskomitee. Auf dem Weg dort hin sah er einen Veteranen, der ein künstliches Bein hatte und sichtlich besorgt schien, vor sich ein überfrorenes Wegstück zu haben, wo er rüber gehen müsste. Der Mann befürchtete auszurutschen und zu fallen. Erickson sagte ihm, er solle bleiben wo er sei. Er würde zu ihm kommen und zeigen, wie man auf spiegelglattem Eis gehen könnte. Also kam Erickson herüber und der Mann konnte sehen, dass Erickson humpelte. Er war also nicht einfach nur ein Schwätzer. Erickson sagte dem Mann, er sollte die Augen zu machen und Erickson ließ ihn vor und zurück, hin und her gehen, bis der Mann völlig verwirrt war. Dann brachte Erickson den Mann auf die sichere andere Seite vom Eis und der Mann sollte die Augen wieder öffnen. Er war überrascht, dass das Eis hinter ihm war und hatte keine Vorstellung davon, wie er herüber gekommen war auf die andere Seite.
Erickson erklärte ihm: "Sie gingen so, als ob der Beton eisfrei wäre. Wenn man versucht, auf Eis zu gehen, spannt man normalerweise die Muskeln an und bereitet sich auf einen Sturz vor. Sie machen sich ein geistiges Bild davon. Und so fallen Sie hin. Wenn sie das Gewicht Ihrer Beine gerade nach unten verlagern, so wie man das auf trockenem Beton macht, fallen Sie nicht. Das Ausrutschen passiert, weil man nicht sein ganzes Gewicht nach unten verlagert un weil man sich verkrampft."

Die zweite Anekdote findet Erwähnung unter anderem in dem Buch "Hypnotic Realities: The Induction of Clinical Hypnosis and Forms of Indirect Suggestion" von Milton H. Erickson, Ernest L. Rossi und Sheila I. Rossi. Erickson ging als Kind, wenn es geschneit hatte sehr zeitig zur Schule. Auf dem Weg hinterließ er einen krummen Pfad. Auf dem Rückweg dann beobachtete er mit Freude, dass die anderen Schüler und Passanten keinen geraden Weg gingen, obwohl jeder wusste, dass der Weg gerade sein müsste. Sie folgten alle Ericksons Spuren vom krummen Weg im Schnee.

Bis zum nächsten Blog,

sarah

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Der purpurne Zauberer aus der Wüste

Liebe Leserinnen und Leser,

heute ist ein großer Tag. Ich löse endlich meine Ankündigung ein, über Milton Erickson zu schreiben. Er wurde am 5. Dezember 1901 in Aurum, Nevada geboren. Sein Geburtstag schien mir angemessener statt des Todestages: 25. März 1980 in Phoenix, Arizona.

Erickson wuchs als Kind einer Bauernfamilie auf mit 7 Schwestern und nur 1 Bruder. Erickson ließ sich Zeit, mit dem Sprechen anzufangen als Kind. Seine Mutter nahm es gelassen: "Wenn die Zeit kommt, wird er sprechen." Mit 4 Jahren fing er dann auch an. Er tat sich in der Schule aber erst sehr schwer. Ein Wörterbuch las er nicht, indem er es wenigstens bei dem Anfangsbuchstaben des Wortes, was er suchte aufschlug, sondern er fing tatsächlich bei "a" an und las, bis er bei dem Buchstaben und Wort ankam, was er eigentlich suchte. Das brachte ihm den Spitznamen "Dictionary" (Wörterbuch) ein. Er war Legasteniker.

1919 machte er seinen Abschluss an der Highschool und man fürchtete, dass das das Ende für ihn war. Erickson hatte eine Polioinfektion (Kinderlähmung, seine erste) bekommen, war völlig gelähmt und hörte im Nebenzimmer, wie der Arzt seiner Mutter sagte: "Der Junge wird den Morgen nicht erleben." Erickson fand heraus, dass er ein Auge mit größter Anstrengung kontrolliert bewegen konnte und verbrachte etliche Stunden damit, die Aufmerksamkeit seiner Mutter zu bekommen und ihr durch Augenbewegungen zu verstehen zu geben, dass er eine Kommode in seinem Zimmer anders gestellt haben wollte. Was er ihr nicht sagen konnte: die Kommode versperrte ihm die Sicht und er wollte nicht sterben, ohne den Sonnenuntergang gesehen zu haben. Er bekam ihn aber nicht ganz mit, denn er war für 3 Tage bewusstlos.

Er musste alles neu lernen. Seine jüngste Schwester war gerade in dem Alter, wo sie selbst laufen lernte, so dass er es sich bei ihr abschauen und dieses Mal bewusst lernen konnte. Erickson selbst bezeichnete die Polioinfektion einmal als "unheimlichen Vorteil". Schon als er krank war und sich nicht bewegen konnte, studierte er seine Familie und andere Anwesende im Haus. Er fand heraus, dass seine Geschwister "ja" sagen, aber "nein" meinen oder auch "nein" sagen, aber "ja" meinen konnten. So sammelte er elementare Erfahrungen in genauer Beobachtung, Ausdruck und Körpersprache. Als er dann wieder halbwegs laufen konnte, wollte er eine Kanu-Tour mit einem Freund machen. Glücklicherweise war seine Familie nicht bei der Abreise dabei, denn kurzfristig sagte der Freund ab. Ich denke nicht, dass seine Familie ihn alleine hätte fahren lassen. Wenn Erickson das Boot umsetzen musste, brauchte er Hilfe. Aber er machte es sich zu einem Experiment der Reise, niemals direkt um Hilfe zu bitten sondern immer Situationen zu schaffen, dass die anderen ihn fragten oder Hilfe anboten. So kam es öfters vor, dass er da saß und Deutsch-Vokabeln für sein Medizinstudium lernte, bis jemand vorbei kam.

Schon als Student interessierte er sich für Hypnose und arbeitete zunächst in Krankenhäusern, in der Psychiatrie. Sein Chef sagte ihm einmal, dass der Gehstock, den Erickson benutzen musste zum Laufen, hilfreich sei und sympathisch machte sowohl bei Patienten als auch Kollegen. Die weiblichen Patientinnen sehen in einem Mann mit Gehstock keine Bedrohung und die männlichen Kollegen keine ernsthafte Konkurrenz. 1947 stürzte er unglücklich mit dem Fahrrad und obwohl er ansonsten gegen Impfungen war, ließ er sich eine Tetanusimpfung geben. Er bekam einen anaphylaktischen Schock, überlebte nur knapp und hatte seither Pollenallergien. Das war auch der Grund, warum er letztlich aufhörte in Krankenhäusern zu arbeiten und nach Phoenix zog, wo das Wüstenklima zumindest angenehmer war, was seine Allergien anging.

1953 kam ein Post-Polio-Syndrom zu seinen Beschwerden. Er arbeitete intensiv mit vielen bekannten Therapeuten zusammen, unter anderem Jay Haley, Gregory Bateson, Margaret Mead. John Grinder und Richard Bandler, die das Neuro-Linguistische Programmieren (NLP) entwickelten, analysierten und nutzten Ericksons hypnotische Sprachmuster. Mein Freund John ist da eine Methode, die ich bereits in anderen Einträgen erwähnte.

Wie man vielleicht schon an meinem, diesen Eintrag hier merkt, gibt es viele Geschichten um Erickson. Selbst wenn ich die nächsten Einträge verwenden würde, um einige dieser Geschichten wieder zu geben, bräuchte es seine Zeit. Erickson war ein genialer Geschichtenerzähler. Aber er erzählte nicht einfach nur so zur Unterhaltung, sondern immer auch um indirekt zu helfen und zu heilen.

Viele Leute früher und heute kennen Erickson vor allem aus seinen späten Jahren, als er halbseitig gelähmt im Rollstuhl saß, schwerhörig war und alles doppelt sah und unter chronischen Schmerzen litt. Es ist beeindruckend in selbst nur auf kurzen youtube Videos zu sehen. Alleine dort merkt man, dass er vor Lebensfreude und Lebensenergie sprühte trotz (oder gerade wegen?) seiner vielen Leiden. Ich denke, seine offensichtlichen körperlichen Probleme machten ihn auch glaubwürdiger vor seinen Patienten. Wem würdet ihr mehr glauben, dass Schmerzkontrolle wirklich möglich ist: wenn ein scheinbar junger, gesunder, dynamischer Arzt euch davon erzählt, oder einem kränklichen älteren Mann im Rollstuhl? ;-)

Das sind nur einige wenige Aspekte aus Ericksons Leben und Wirken. Viele Geschichten und andere Aspekte, die ich weiß und die mir beim Schreiben teilweise auch einfielen, habe ich aus gelassen. Ein einziger Eintrag reicht längst nicht.

Wer einmal mehr über Erickson erfahren möchte, dem empfehle ich wärmstens Sidney Rosens Sammlung von Ericksons Geschichten Die Lehrgeschichten von Milton H. Erickson. Wer einmal einen kleinen Eindruck haben will, wie Erickson mit Schülern umging, dem empfehle ich das 5-Tage-Seminar, das sein Schüler Jeffrey Zeig aufgezeichnet hat. Die schriftliche Fassung ist nachzulesen in Meine Stimme begleitet Sie überallhin. Ein Lehrseminar mit Milton H. Erickson. Wer noch mehr Fragen hat oder Anregungen haben möchte, kann mir gerne schreiben. Für's erste soll es das gewesen sein, euch Erickson vorzustellen. Ich bin sicher, dieser Eintrag hier wird aber nicht der letzte sein, in dem er Erwähnung findet.

Bis zum nächsten Blog,

sarah

Freitag, 22. Juni 2012

Hallo Welt!

Liebe Leserinnen und Leser,

ich fange heute diesen Blog an, um Gedanken aufzuschreiben, auf interessante Dinge aufmerksam zu machen, auf die ich gestoßen bin oder sonstige Entdeckungen zu verkünden.

1997 fing ich an Geschichten zu schreiben. Mittlerweile schreibe ich diesen Blog hier... ;-)

Etwa 2009 bekam ich Interesse an Zauberei. Als Kind hatte ich schon einen Zauberkasten, aber etwas ernsthafteres entwickelte sich daraus nicht. Während meines Heilpädagogik Studiums kam immer wieder das Gespräch darauf, dass wir auf Körpersprache achten sollten und selbst uns "offen" geben wollten. Aber wie macht man das überhaupt? Oder woher weiß ich, ob Klienten etwas verbergen? Was bedeutet es, wenn sie in einer bestimmten Körperhaltung vor mir sitzen oder einen gewissen Blick haben? Darüber haben wir nie gesprochen. Also begann ich mein Selbststudium. Wenn man heute über Körpersprache liest, stößt man unweigerlich früher oder später auf drei Buchstaben: NLP. Neuro-linguistisches Programmieren. Ich wollte gerne einmal sehen, wie das ganze angewendet wird und was man damit machen kann. Ich weiß nicht mehr genau, was ich tatsächlich eingegeben habe, denn mit nur "nlp" kommt man bei youtube nicht auf das, was mich dann letztlich wieder zur Zauberei gebracht hat. Nämlich ein Video des "psychologischen Illusionisten" (so nennt er sich selbst) Derren Brown. Die Videobeschreibung las sich wie folgt: "The hiest was an experiment hosted by Derren Brown to see if he could get people to rob a bank." Wie bitte? Normale Leute dazu bringen eine Bank auszurauben? Geht das wirklich? Das musste ich sehen! Also sah ich mir die Sendung auf youtube an: http://www.youtube.com/watch?v=GdkivIk1NiY (Teil 1 von 5)

Tja, was soll ich sagen? Die Sendung war interessant und Derren Brown mir sympatisch. Ich sah mir mehr Videos an von ihm, kaufte mir schließlich Tricks of the Mind von ihm. Darin beschreibt er Grundlagen vieler Techniken, die er für seine Tricks benutzt: von Zaubertricks mit Karten und Münzen, über Merkhilfen (Mnemonik) bis hin zu Hypnose.

Hypnose. Wer über NLP liest, kommt zwangsläufig auch zu Hypnose und Hypnotherapie. Immerhin war einer der Vorbilder, die zur Entwicklung von NLP beitrugen der Psychotherapeut Milton Erickson, der nicht nur allgemein höchst kreativ war, sondern auch Hypnose als Therapie anwendete. Im Frühjahr 2011 suchte ich dann einmal bei google nach Online Kursen zu Hypnose und stieß dabei auf Stephen Brooks. Auf seiner Homepage bietet er unter anderem einen kostenlosen, einjährigen Kurs in den theoretischen Grundlagen der Hypnotherapie nach Erickson und NLP an. Kostenlos klingt gut, oder nicht? Kann man dem trauen? Ja! Stephen Brooks ist weltweit anerkannt und sehr gefragt. Zwar hat er Erickson nicht mehr persönlich treffen können, ihn und seine Methoden aber gründlich und eingehend studiert.

Frühjahr 2012. Seit einem Jahr arbeitete ich nun bei der Alzheimer Gesellschaft in Bochum und ich brauchte genau dieses eine Jahr, um zu erkennen, dass 2 Therapiepuppen, die wir bei uns haben, nicht genutzt wurden. Mir wurde klar, dass wenn sie nicht weiter gelangweilt in der Ecke sitzen sollten, ich selbst aktiv werden musste. Die Puppen einfach nehmen, eine Hand im Kopf, um den Mund zu bewegen und gleichzeitig den eigenen Mund bewegen, um für die Puppen zu sprechen? Es geht. Es ist einfach. Zu einfach. Warum für die Puppen sprechen, wenn man sie für sich selbst sprechen lassen kann? Durch Bauchreden. Wie ich das lerne und lernte und meine Gedanken dazu im nächsten Blog...

Bis zum nächsten Blog!
sarah