Die Handlung beginnt 1938. Erzählt
wird die Geschichte von Henri Young (toll gespielt von Kevin Bacon),
der als Krimineller in Alcatraz, dem berühmten Gefängnis auf der
kleinen Insel vor San Francisco, einsitzt. Die ersten 20 Minuten des
Films sind nicht unbedingt schön anzusehen. Denn Young ist nach
einem Fluchtversuch mit anderen Strafgefangenen in Einzelhaft und
wird echt mies behandelt, um nicht zu sagen gefoltert. Nach mehreren
Jahren in Einzelhaft kommt er schließlich wieder zu den anderen
Gefangenen. Zum Mittagessen stößt er auf einen anderen Gefangenen,
Rufus 'Ray' McCain (David Michael Sterling), der ursprünglich mit
Young den Fluchtversuch gemacht hatte. Young stürzt sich mit einem
Löffel auf McCain und bringt diesen letztlich um, was prompt zu
einer erneuten Isolationshaft führt.
Der junge Anwalt James Stamphill
(Christian Slater) soll Young im Gerichtsverfahren an dem Mord an
McCain vertreten. Aus seiner Sicht wird die Geschichte letztlich auch
erzählt. Der Fall scheint zunächst klar und nichts besonderes zu
sein. Doch Stamphill braucht eine Weile, bis er Zugang zu Young
findet und dieser überhaupt auch nur ein Wort mit ihm spricht. Die
Dialoge zwischen den beiden, insbesondere als Young in den
Zeugenstand gerufen wird und gegen seinen ausdrücklichen Wunsch,
Fragen beantworten muss, sind ein tolle Dialoge mit viel Witz und
Humor, der mich persönlich sehr angesprochen hat. Ein wunderbares
Zusammenspiel von Kevin Bacon und Christian Slater.
Nachdem Henri Young über Jahre in
Einzelhaft war und dadurch kaum von Resozialisierung zu sprechen ist,
muss sich am Ende nicht nur Henri Young vor Gericht erklären,
sondern auch die Wärter und vor allem die Gefängnisleitung müssen
ihr Verhalten rechtfertigen.
Im Film wird Henri Young als fast
Unschuldiger dargestellt, der erwischt wurde, wie er 5 Dollar klaute,
um für sich und seine Schwester zu sorgen und ansonsten, bis zum
Mord an dem Mitgefangenen, nicht weiter kriminell war. Die Realität
sieht etwas anders aus.
Henri Young gab es wirklich. Ebenso den
Mitgefangenen Rufus McCain. Gemeinsam mit noch anderen, versuchten
sie aus dem Gefängnis zu fliehen. Soviel ist wahr.(Laut wikipedia
jedoch erst 1 Jahr später als im Film, nämlich 1939.) Allerdings
war Henri Young bei weitem nicht so unschuldig. Schon bevor er nach
Alcatraz kam, war der „echte“ Henri Young ein verurteilter
Bankräuber, der sogar bekannt dafür war aggressiv Geiseln zu
nehmen. Von nur mal 5 Dollar klauen, um sich und seine Schwester zu
versorgen und dabei erwischt zu werden, kann also bei Weitem nicht
die Rede sein.
Die Argumentation im Film, dass nicht
Henri Young selbst Schuld am Mord an McCain ist, sondern die
Haftbedingungen und lange Isolation, war wirklich die Argumentation
der Verteidigung. Ohne das Ende der Gerichtsverhandlung im Film
vorwegzunehmen, möchte ich dennoch soviel sagen, dass Henri Youngs
Leben nicht so endete, wie es Stamphill (Christian Slater) erzählt.
Die Wahrheit ist, dass Henri Young 1948 in ein anderes Gefängnis
verlegt wurde. Für 1972 heißt es in Henri Youngs wikipedia-Eintrag
er „jumped parole“. Das heißt, er hatte Freigang mit gewissen
Auflagen. Von diesem Freigang kam er allerdings nicht zurück und
sein Aufenthaltsort wird bis heute seither als „unknown“
(unbekannt) aufgeführt. Am 11. Juni 1911 geboren, wäre Henri Young,
sollte er heute noch am Leben sein, somit über 100 Jahre alt.
Der Film ist wirklich gut und
sehenswert. Auch wenn, wie oben erwähnt, die ersten 20 Minuten nicht
angenehm anzusehen sind. Es ist zu erwarten, dass ein Film „nach
einer wahren Begebenheit“ oft doch frei erzählt ist. Die
deutlichen Abweichungen hier finde ich dennoch sehr frustrierend.
Zumal am Ende noch etwas erzählt wird, was absolut nicht den
Tatsachen entspricht, nämlich dass angeblich Henri Young mit dafür
gesorgt hat, dass Alcatraz geschlossen wurde. Die Wahrheit ist, dass
Alcatraz 1963 geschlossen wurde, also gut 20 Jahre nachdem Henri
Young sich dort aufgehalten hat. Außerdem wurde Alcatraz nicht
aufgrund von zweifelhaften Haftbedingungen und/oder letztlich nicht
mehr erlaubter, zu langer Isolationshaft. Es gibt diverse
Dokumentationen über Isolationshaft und Einzelhaft aus dem Jahr 2000
und später. Obwohl solche Haftbedingungen noch immer genau so
zweifelhaft sind, wie im Film bereits dargestellt. Falsch ist
übrigens auch im Film dargestellt und mehrmals betont, dass die
Aufgabe von Alcatraz die Resozialisierung war. Im deutschen
wikipedia-Artikel über Alcatraz unter Gefängnisaufenthalt findet
sich allerdings folgender Hinweis:
„Alcatraz hatte zwei Aufgaben:
- Übernahme von Unruhestiftern aus anderen Gefängnissen, um Flucht, Gewalt und Selbstmordversuche zu verhindern.
- Übernahme von Häftlingen, um sie gebessert wieder in ein anderes Gefängnis zu schicken. Von Resozialisierung war nie die Rede.“ (Hervorhebungen von mir.)
Der Grund für die Schließung von
Alcatraz war, unter anderem, übrigens dass das Meersalz das Gebäude
zu sehr angegriffen hat über die Jahre und die Instandhaltung
schlicht zu teuer und aufwändig wurde. Der Grund war überhaupt
nicht die Art der Gefängnisführung.
Bei diesem grundsätzlich guten Film
finde ich es schade, wie sehr die Tatsachen verdreht wurden, sowohl
was das Leben von Henri Young angeht, aber auch die Geschichte von
Alcatraz. Ich persönlich hätte den Hinweis auf das spurlose
Verschwinden von Henri Young besser gefunden, vor allem weil es eher
den Tatsachen entspricht und meiner Meinung nach positiver für Henri
Young, auch im Film, gewesen wäre. Vielleicht war es den
Verantwortlichen nicht heldenhaft genug. Aber ein Held war der echte
Henri Young sowieso von Anfang an nicht.