Montag, 1. April 2013

Abduktion, Deduktion und Induktion

Liebe Leserinnen und Leser,

ich weiß mir leider keinen anderen Rat, als diesen Blogeintrag heute wissenschaftlich zu machen.

Vorweg noch drei Dinge

1. Ich war nicht sonderlich wissenschaftlich im letzten Eintrag. Ich habe vergessen, die Namen der Serien zu erwähnen. Bei der BBC-Produktion handelt es sich um die Serie "Sherlock". Die amerikanische Serie läuft unter dem Titel "Elementary". Beide wiederum laufen im deutschen Fernsehen auch unter diesen Titeln.

2. Es mag einige von euch überraschen, aber so analytisch und wissenschaftlich wie Holmes war, so unwissenschaftlich und leichtgläubig war sein Erfinder. Doyle glaubte fest an die Existenz von Feen. Ebenso ist kaum zu glauben, dass Harry Houdini und Arthur Conan Doyle eine Zeit lang befreundet waren. Ihre unterschiedlichen Auffassungen über Spiritismus führten aber dazu, dass die Freundschaft auseinanderging.

3. Die Macher von "Sherlock" haben sich sichtlich Mühe gegeben. Sherlock hat eine Homepage The Science of Deduction, die tatsächlich existiert. Auch kann Dr. John Watsons Blog gelesen werden, inklusive Kommentaren von Holmes und anderen!!! Andere Charaktere, die in der Serie vor kommen, könnten mit ihren Internetseiten gefunden werden: Molly Hoopers Blog und das Forum von Connie Prince. Letztere beiden sind aber höchstens interessant für Leute, die die Serie und damit die Personen kennen.

In gewisser Weise ist selbst Sherlock Holmes' Homepage eher nur für Kenner und Fans der Serie. Außerdem ist der Titel der Seite im Grunde falsch. Sherlock Holmes nutzt gerade nicht die Deduktion für seine Ermittlungen. Das ist ein Fehler, der nicht nur in der Serie falsch ist, sondern auch in den Büchern von Doyle. Auf imdb.com findet sich ein entsprechender Hinweis auf diesen Fehler.

Zugegeben, die einzelnen Schlussfolgerungen: Abduktion, Deduktion und Induktion, sind eine knifflige Angelegenheit und ihre Unterscheidung nicht ganz leicht. Die Unterschiede sind sehr fein.

Die Unterschiede zwischen Induktion und Deduktion sind noch verhältnismäßig einfach zu erklären. Bei der

Deduktion wird eine allgemeine generelle Regel aufgestellt. Davon ausgehend wird eine weitere sichere Regel aufgestellt. Wenn bzw. da beide zutreffen, kommt man am Ende zu einer Lösung, die sicher ist. Diese Art der Schlussfolgerungen findet sich in der Mathematik wieder, zum Beispiel bei Gleichungen mit Unbekannten:

Wenn x = 2
und wenn y = 3,
dann ist 2 x + y = 7

Mathematik ist oft sehr theoretisch. Drücken wir das ganze einmal anders aus:

Wenn Chaos in einem System erhöht wird, außer man führt ihm Energie zu,
und wenn meine Wohnung ein System ist,
dann sollte ich, sofern ich nicht im Chaos versinken will, Energie rein stecken und die Wohnung sauber und ordendlich halten.

Die Induktion ist von einer einzelnen Sache als etwas wahres auszugehen. Darauf aufbauend wird dann eine allgemeine Gültigkeit formuliert. Eine Lösung ist dabei zwar wahrscheinlich, aber nicht völlig sicher. Es gibt da das Gedankenspiel vom weißen Schwan. Wenn wir viele weiße Schwäne sehen, können wir davon ausgehen, dass es weiße Schwäne gibt. Allerdings wäre es falsch, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass alle Schwäne weiß sind oder dass es nur weiße Schwäne gibt. In der Forschung, wo es um das Sammeln und Erfassen von Daten geht, finden wir diese Denkweise wieder.

Bei der Abduktion wird etwas beobachtet und nach einer möglichen Erklärung gesucht, die das Beobachtete wahrscheinlich macht als Ausgang. Der Theoretiker Charles Sanders Peirce hat die Abduktion eingeführt und erklärt sie so:

„Die überraschende Tatsache C wird beobachtet; aber wenn A wahr wäre, würde C eine Selbstverständlichkeit sein; folglich besteht Grund zu vermuten, daß A wahr ist.“

Das Finden einer Lösung ist letztlich ein Schuss ins Blaue und höchst unbefriedigend. Dass die gefundene Lösung der Wahrheit entspricht könnte stimmen, könnte aber auch nicht stimmen. In der Medizin findet sich diese Denkweise wieder. Der Patient berichtet von Symptomen und der Arzt muss sich überlegen, welche Krankheit zu diesen Symptomen führt, um dann entsprechend zu behandeln. Auch bei Gerichtsverhandlungen findet man die Abduktion wieder: hat die Verteidigung oder die Anklage die besten Argumente die Situation am besten zu erklären?

Insofern stimmt es wohl, dass Holmes nicht die Deduktion, sondern die Abduktion anwendet. Er kann nicht sicher sein, dass der Tatort alle Fakten zeigt, die zu dem Verbrechen geführt haben. Damit sind Holmes' Schlussfolgerungen höchst wahrscheinlich unvollständig und damit nichts mehr als ein Schuss ins Blaue.

Arthur Conan Doyle hat den bereits im letzten Eintrag erwähnten Dr. Joseph Bell als Vorbild gehabt für Holmes. Ein weiterer Arzt, der ebenfalls sehr gut beobachten und seine Schlüsse ziehen konnte war Dr. Milton Erickson. Sidney Rosen beschreibt eine Geschichte in seinem Buch Die Lehrgeschichten von Milton H. Erickson, die Ericksons Beobachtungs- und Kombinationsgabe deutlich macht. Die Geschichte heißt "Der richtige Psychiater":

Eine junge, hübsche Frau kam zu Erickson. Sie war sehr verzweifelt. Sämtliche Psychiater, die bei denen sie vorher gewesen war, hatten sie nicht zufrieden gestellt. Entsprechend war sie bei Erickson unsicher, ob er ihr helfen könnte. Er schrieb sich einige Daten zu der jungen Frau auf und sagte dann, er sei der richtige Psychiater. Er könnte das beweisen mit einer Frage. Aber diese Frage würde ihr nicht gefallen. Die Frau wollte die Frage trotzdem hören. Also fragte Erickson sie: "Wie lange tragen Sie schon Frauenkleider?" Erickson hatte gesehen, wie die Frau einen Fussel vom Ärmel entfernt hatte in einer direkten Bewegung, ohne Rücksicht auf die Brust, wie sie Frauen nehmen würden.

Es gibt außerdem noch ein Video mit Tim Minchin, im dem er über die menschliche Logik spricht und einen weiteren Aspekt der Logik anspricht. (Natürlich auf Englisch.)

Bis zum nächsten Blog,

sarah

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