Sonntag, 21. April 2013

Mein Barnum Effekt Experiment

Liebe Leserinnen und Leser,

nun, der Effekt ist nicht meiner. Das Experiment ist alt. Die Zauberer Penn & Teller haben in ihrer Sendung „Bullshit“ (Staffel 7, Episode 2: Astrology) ihre Variante davon. Derren Brown bringt das Thema und das Experiment als einen Teil in einer Folge seiner Serie „Trick of the Mind“ (Staffel 3, Episode 1). Das sind nur zwei, die mir spontan einfallen, die ich auch selbst gesehen habe. Andere haben das Experiment auch gemacht und ich gegen Ende meines Heilpädagogikstudiums auch.

Ich sprach einmal eine Dozentin eines Psychologiekurses an. Der Kurs war Praxisorientiert... jedenfalls in der Theorie. Der passende Kurs, dachte ich, für mein Experiment. Ich fragte die Dozentin, ob es in Ordnung wäre, wenn ich ein kleines Experiment machen würde, das ich schon länger einmal hätte machen wollen. Die Dozentin willigte ein und hier ist, was ich gemacht habe:

Eine Woche vor den Osterferien kam ich mit kam ich mit gelben Karteikarten an und erzählte den Teilnehmern, dass ich während der Semesterferien an einem Persönlichkeitstest-Programm gearbeitet hätte und es nun auf Genauigkeit testen wollte mit ihnen. Ich sagte ihnen, sie sollten folgendes aufschreiben: in die linke obere Ecke ihr Geburtsdatum und wenn sie wussten auch die Zeit. Aber es wäre nicht zwingend nötig für mich, auch die Zeit zu haben. In die rechte obere Ecke sollten sie eine Reihe von Zahlen und Buchstaben schreiben. Damit sie ihres wiedererkennen könnten. In die Mitte der Karte sollten sie einen kurzen Satz schreiben, der sie beschreibt. (Ich sollte Penn & Teller dafür danken. Das sind die Daten, die auch sie abgefragt haben und da mir nichts anderes einfiel, habe ich es für meinen Test übernommen.)

Dann kamen die Ferien und dann der nächste Tag nach den Ferien, an dem auch das Seminar stattfand. Das Seminar fand nachmittags statt. Genug Zeit, dass Mitstudenten mich vorher über den Test fragen konnten. Zwei kamen sogar direkt nach dem ersten Seminar an dem Tag auf mich zu. Eine sagte, sie hätte den Kurs gewechselt aber sollte ich die Ergebnisse haben, würde sie ihre gerne wissen. Ich gab ihr ihre Karte und die Ergebnisse, die ich mit einer Klammer an der Karte befestigt hatte. Ich erklärte ihr, dass die Sache bei dem Test nicht der Text war oder der Test, sondern wie sie reagierten. Die andere Studentin meinte, sie hätte einen Arzttermin. Sie wollte ihn noch ändern, aber das war nicht möglich gewesen. Ich hoffte nur, dass die beiden mich nicht verraten würden an die anderen im Kurs.

Ich kam in den Raum, wo das Seminar stattfand. Eine im Kurs fragte mich gute drei Mal: „Sagst du es uns jetzt?“ Sie war wirklich gespannt.

Eine Pause während des Seminars war dann mein Moment. Ich sagte ihnen: „Letztes Mal hatte ich euch gebeten Karteikarten auszufüllen für meinen Persönlichkeitstest. Ich habe jetzt die Ergebnisse. Bitte, nehmt eure Karte und lest für euch selbst. Tauscht euch nicht mit anderen aus. Ich möchte euch gleich noch kurz fragen, wie passend ihr die Ergebnisse für euch findet.“ Sie lasen dann ihren Text. „Auf einer Skala von 1 bis 5. 1 heißt passt gar nicht und 5 heißt trifft voll zu. Wie viele sagen: das war nichts? 1?“ Keiner. „Wie viele sagen: ein bisschen? 2?“ Noch immer keiner. „Wer sagt: teils teils? So halb halb? 3?“ Zwei, drei hoben ihre Hand. „Wer sagt 4?“ Ich habe nicht gezählt, aber viele hoben ihre Hand. „5?“ Der Rest. Eine scherzte: „Meins ist so 4,5.“ Die anderen lachten.

Ich sagte: „Von denen mit 5, wäre eine bereit von euch die ersten zwei, drei Sätze für uns vorzulesen? Nur um zu sehen, wie ein gutes Ergebnis aussehen würde?“ Eine fing an ihren Text vorzulesen. Die anderen fingen an zu grinsen und sich gegenseitig anzugucken. Die Vorleserin fragte mich, ob sie weiter lesen soll. Ich dankte ihr und sagte, dass das genug wäre und der Grund, warum die anderen grinsen wäre, dass sie den gleichen Text hätten.

Ihr hallte habt den gleichen Text“, sagte ich. „Und hier ist noch eine andere Wahrheit: das Programm, von dem ich euch erzählte, gibt es nicht.“ Ich konnte die Erleichterung, die sich im Raum ausbreitete spüren. „Ich habe den Text nicht einmal geschrieben. Der Text ist von der wikipedia-Seite zum Barnum Effekt, was genau hier passiert ist: wenn ihr eine Menge von Informationen habt, sucht ihr euch die Dinge raus, von denen ihr denkt, dass sie passen und macht sie passend für euch selbst. Barnum war ein Zirkusdirektor, der das Motto hatte: ein bisschen für jeden.“ Ich erzählte ihnen dann von Wahrsagern und den Techniken, die sie oft anwenden.

Ich erzählte davon, dass meine Mutter mir einmal von einer Tante erzählt hatte, die zu einer Wahrsagerin gegangen war. Sie erzählte der Tante, dass sie in den nächsten 1 bis 3 Monaten in einem Auto sterben würde. Ich sagte: „sie lebte länger als die 3 Monate. Aber könnt ihr euch den psychischen Stress vorstellen – und damit sind wir genau im Thema des Seminars hier – den sie durchlebte, jedes Mal, wenn sie in ein Auto stieg? Dieses könnte das eine sein, in dem sie stirbt.“ Ich sagte: „Vielleicht sagt ihr jetzt: na ja, das ist wahrsagen. Daran glaube ich sowieso nicht. Aber ihr habt mir geglaubt.“

Ich wollte es dabei belassen, aber eine Studentin hob ihre Hand und fragte mich etwas, was ich jetzt nicht mehr weiß. Dadurch kamen wir in eine lockere, aber angeregte Diskussion (die wahrscheinlich länger als die von der Dozentin angedachte Pause dauerte) über Wahrsagen, sogenanntes „cold reading“ (die Technik, die angewendet wird von Leuten, die behaupten, sie könnten mit den Toten reden) und ähnliches.

Ich fühlte mich gut. Es ist eine Sache, Derren Brown in einer Sendung zu sehen, wie er es macht oder darüber zu lesen. Es ist etwas völlig anderes, selbst zu spüren, dass sie dir glauben und zu wissen, dass du sie betrügst. Ich wusste, sie würden mich dafür nicht erwürgen oder sowas. Aber ich war ziemlich nervös, wie sie reagieren würden. Ich war sehr zufrieden, wie sie reagiert hatten. Sogar überrascht, dass sie tatsächlich Fragen hatten und wirklich interessiert waren und darüber diskutieren wollten!

Bis zum nächsten Blog,
sarah

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