Freitag, 20. Dezember 2013

Habt kein Mitleid!

Liebe Leserinnen und Leser,

viele Menschen, gerade die ich über das Internet kennen lerne, tut es leid, wenn sie erfahren, dass ich behindert geboren wurde. Mir fehlt von Geburt an mein rechter Fuß. Aber, wie ich den Menschen immer wieder erkläre: ich kann normal laufen, rennen, Rad fahren mit einer Prothese. Trotzdem ist die erste Reaktion von vielen: "Das tut mir leid." Warum überhaupt? Manchmal sage oder schreibe ich ihnen dann, dass sie wahrscheinlich mehr Mitleid mit mir haben, als ich mir jemals selbst leid tue.

Vor Jahren, während meines Studiums, hatte ich einige Seminare bei einer Professorin, die keine Arme hatte. Auch wenn ich mich nie getraut habe, sie direkt zu fragen, vermute ich, dass sie wegen Contergan keine Arme hat. Einmal war ihr Sohn im Seminar und wir erfuhren durch Erzählungen, dass sie einen zweiten Sohn hat. In einer Gesprächsrunde in einem Seminar erzählte sie, dass sie nie das Bedürfnis gehabt hätte, jemanden zu umarmen. Die Reaktion bei allen von uns war sicher erst einmal Schock. Wir sind so gewohnt, andere zu umarmen. Sei es zur Begrüßung oder zum Trost. Und sie hat doch zwei Söhne! Natürlich hätte ich das Bedürfnis meine Söhne zu umarmen, zu trösten, in den Arm zu nehmen und das kleine Kind zu wiegen. Nicht? Und doch wirkt sie wenigstens zufrieden mit ihrem Leben. Sie hatte ja selbst gesagt, sie hätte nie das Bedürfnis gehabt, jemanden zu umarmen. Warum also empfinde ich Mitleid mit ihr, dass sie, vor allem ihre Söhne, nicht umarmen konnte und kann? Ich glaube, wir haben schnell Mitleid mit anderen, wenn wir erfahren oder sehen, dass etwas, das für uns existiert und möglich ist, für andere nicht existiert oder nicht möglich ist. Aber was hilft da Mitleid? Gar nichts.

Meine Vermieterin und Freundin meiner Eltern, somit wohl auch von mir, erzählte mir neulich, dass sie einem ihrer Söhne Geld geben sollte. Das Geld wäre von einer anderen Person gekommen, die es allerdings nicht gegeben hatte, so dass auch der Sohn sein Geld rechtzeitig hätte haben können. Als der Sohn also nach dem Geld fragte, musste sie ihm mitteilen, dass sie das Geld nicht hätte... und entschuldigte sich bei ihm, dass es ihr leid täte. Im Gespräch mit mir stellte sie, im Nachhinein in Frage, warum es ihr denn leid getan hat. Es war doch nicht ihre Schuld, dass der andere das Geld nicht rechtzeitig gegeben hatte!

Hört auf euch selbst leid zu tun und vor allem hört auf, andere zu bemitleiden! Keiner hat etwas davon. Wer in einer misslichen Lage ist, der braucht Hilfe, kein Mitleid. Wenn ihr helfen wollt und die andere Person echte Hilfe braucht, helft. Mehr ist nicht zu machen. Alles andere endet in Bedauern eurerseits und dann? Dann fühlt ihr euch schlecht. Das hilft weder euch, noch der anderen Person.

Bis zum nächsten Blog,
sarah

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