Freitag, 28. September 2012

Bauchreden hilft (Teil 2)

Liebe Leserinnen und Leser,

wir waren gestern bei meiner Mutter. Für meine Schwester und mich war es das erste Mal. Ein Freund meiner Eltern, der auch auf der Radtour dabei war, hat uns gefahren. Er und mein Vater haben sie schon öfters auch im Krankenhaus in Frankreich schon gesehen. Ich habe ihr noch nicht gesagt, was ich im letzten Eintrag beschrieben habe, ihr sagen zu wollen. Obwohl ich schon überlegt hatte, was und wie ich es ihr sagen könnte, falls andere mit hören würden und ich nicht ganz so direkt sein wollte, wie ich es mit ihr alleine wäre. Während der Besuchszeit nehmen sich die Ärzte ganz bewusst Zeit, durch die Zimmer zu gehen und auch mit den Angehörigen zu reden. Viel hat die Ärztin nicht gesagt. Die nächsten Schritte sind uns sowieso schon klar und wir müssen im Grunde jetzt nur abwarten. Als die Ärztin da war, erzählte sie, dass meine Mutter recht doll beißen würde, bei der Mundpflege. Verständlich. Wer mag schon gerne, dass jemand einem im Mund "rumfummelt" und der Schlauch zum Atmen ist sicher auch nicht angenehm. Als die Ärztin dann weg war, hätte ich meiner Mutter gerne gesagt, was ich ihr sagen will. Gerade weil die Ärztin von zu beißen gesprochen hat. Nicht, dass das direkt für meine Mutter als glatte Aufforderung dazu aufgefasst werden könnte. Ganz wohl war mir trotzdem nicht dabei, dass solche Worte in ihrer Anwesenheit gefallen sind. Ich glaube nicht, dass man das nicht ganz ganz streng sehen müsste und jetzt jedes Wort dreimal überlegen muss, ehe man es in ihrer Anwesenheit benutzt. Immerhin ist sie noch sehr weit weg und sie haben sie einmal für die Fahrt nach Deutschland und neulich wieder für das Wechseln der Schläuche sediert, alos ihr Beruhigungsmittel gegeben. Ein Teil von mir fragt sich böse, wie sie überhaupt aus dem Koma aufwachen soll, wenn man sie sediert wird. Andererseits sehe ich schon auch, dass es richtig war und nötig ist, das zu machen. Warten wir es ab. Ich frage mich, ob es möglich ist, jemanden aufzuwecken, indem man den eigenen Atemrhythmus anpasst und dann die quasi Führung übernimmt und durch gemeinsames Atmen wach werden könnte. Anpassung der Atmung bzw. dann führend gemeinsam anders zu atmen ist zwar sehr indirekt und wird von der anderen Person oft nicht bewusst wahrgenommen, kann aber sehr viel bewirken und verändern. Das spielt gerade bei Hypnose und Entspannung eine unscheinbare, aber große Rolle. Wenn uns Menschen auch im Alltag sympathisch sind, kann es oft passieren, dass wir im gleichen Rhythmus mit der Person atmen, das Sprechtempo von uns und der anderen Person sich aneinander angleichen und auch andere Aspekte sich angleichen und zusammenspielen. Ich weiß nicht, was für meine Mutter und mich in der Richtung möglich ist. Mein Wissen über Hypnose ist vor allem theoretisch und beschränkt sich sonst eher auf kleinere Spielereien bei mir selbst. Bis auf die beiden erwähnten Versuche mit zwei Freunden, die nicht so gut gelaufen sind. Die Situation mit meiner Mutter wird also wirklich ein Test, so wie die Überschrift im letzten Eintrag schon lautete. Das so zu schreiben hat einen etwas makaberen Beigeschmack für mich, jedenfalls könnte man das so lesen. Test. Als wäre sie eine Versuchsperson, jemand, mit dem man herumspielen könnte. Wir werden sehen, was sich ergibt. (So viel zum Thema: keine regelmäßigen Details...)

Ich glaube, es war Anfang dieser Woche, dass ich meine Fledermaus Gaston von Bochum wieder zu meinen Eltern hier zurück holte. Ich wollte ihn haben, um realer Bauchreden zu üben mit einer Puppe. Außerdem ist er schön weich und warm und damit ein ganz guter Ersatz für die Meerschweinchen, die ich sonst oft abends vor dem Fernseher aus dem Käfig nehme und auf meinem Schoß habe. Bis vor zwei Tagen ging es meinem Vater vom Bauch her überhaupt nicht gut. Ich hatte ihm erst ein großes Herzkissen gegeben, aber er meinte, das passt nicht so gut. Dann neulich hatten wir gemeinsam etwas fern gesehen. Ich hatte mir Gaston auf meinen Bauch gelegt, weil es mir auch nicht ganz gut ging. Mein Vater hatte ihn abgelehnt zu nehmen für seinen Bauch. Dann aber wollte ich in die Küche etwas holen. Normalerweise habe ich früher die Meerschweinchen, die ich dann auf dem Schoß hatte, an meine Eltern abgegeben, damit ich sie nicht mit in die Küche nehmen müsste. Und so gab ich jetzt auch Gaston halb beiläufig an meinen Vater weiter. Er legte ihn sich, die Flügel ausgebreitet, so wie ich vorher, auf seinen Bauch. Einige Zeit später meinte er dann, dass die Fledermaus wirklich gut sei. Die Flügel würden schön warm halten. Bis vorgestern wechselten mein Vater und ich uns dann ab Gaston zu nehmen. Wenn er ihn hatte, nahm ich das Herz dafür. Vorgestern wollte er Gaston dann nicht mehr haben. Nur gestern gab ich Gaston dann wieder etwas beiläufig an meinen Vater ab und sah noch im Weggehen, dass er seine Hand in Gaston steckte. Als ich dann mit einem Joghurt für mich aus der Küche wieder kam, sagte Gaston zu mir, "Hallo. Na, hast du Hunger?" Ich sah, dass die Lippen meines Vaters dabei, ganz "fachmännisch" leicht geöffnet, aber ansonsten tatsächlich unbeweglich waren. Wir mussten beide grinsen.

Bauchreden hilft. Und sei es nur, dass eine Handpuppe umfunktioniert wird als Wärmer für den Bauch. Ein anderer Aspekt ist noch, dass der Kiefer beim Bauchreden entspannt sein muss. Anspannung merkt man sonst nach einiger Zeit im Kiefer. Viele Menschen beißen beim Stress nicht nur sprichwörtlich die Zähne zusammen und haben deshalb auch einen angespannten Kiefer. Ich habe gemerkt, dass ich erst jetzt wieder anfange ruhiger zu sein und spielerischer zu werden und mehr Bauchreden zu trainieren. Anscheinend achte ich gar nicht auf meinen Kiefer, wenn ich angespannt bin. Theoretisch aber könnte Bauchreden helfen gegen Stress, da man ja beim Bauchreden einen entspannten Kiefer braucht. Jetzt, da meine Mutter wieder näher bei uns ist, entspannt sich die Situation für uns alle etwas. Es war schön zu sehen, dass auch bei meinem Vater jetzt ein wenig spielerisches wieder raus kommt und er ein wenig mit Gaston spielen konnte. Dafür, dass er gar keine Ahnung hat und nur immer wieder einige kurze Bauchredner Videos von mir gesehen hat, war ich gestern Abend wirklich positiv überrascht. Allerdings hat "Hallo. Na, hast du Hunger?" auch keine schweren Buchstaben, bei denen wir normalerweise die Lippen bewegen müssten. ;-)

Bis zum nächsten Blog,
sarah

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