Samstag, 26. Oktober 2013

Freiheit heute

Liebe Leserinnen und Leser,

in der heutigen Zeit, wo wenigstens die halbe Welt scheinbar auf facebook ist, sehe ich meine Freiheit darin, gerade nicht auf facebook zu sein. Obwohl ich ein Handy habe und sogar eines mit Festnetznummer, ist das die einzige Möglichkeit, mich ständig zu erreichen, wenn man wollte. Die einzigen vier Ausnahmen wären: 1) wenn ich dusche, 2) kurz einkaufen bin oder 3) das Handy nicht höre, wahrscheinlich weil ich unterwegs bin und dabei zu laut Musik höre auf meinem ipod bzw. 4) nicht rechtzeitig dran komme.

Es ist etwas seltsam, dass ich mit meinem Handy am ehesten direkt und sofort erreichbar wäre als auf anderen Wegen. Denn ich telefoniere grundsätzlich nicht gerne und schreibe lieber oder rede direkt mit dem Menschen.

Die aller meisten Leute, mit denen ich über Chat-Programme kommunierziert habe oder immer noch schreibe, haben den Anstand, wenn sie sich unsichtbar gemacht haben, mir trotzdem zu schreiben, wenn sie gehen. Viele, die ich kenne, die diesen Status nutzen, haben ihre guten Gründe dafür. Schade finde ich nur, dass sie mich immer anschreiben und ich keine Möglichkeit habe, ein Gespräch mit ihnen anzufangen. Ich sehe ja nicht, ob sie online sind oder nicht. Das ist auch, was mich am meisten nervt daran. Ich weiß nicht, ob die Leute da sind oder nicht. Soviel ich weiß, könnten sie genau so gut von ihrem Computer weggegangen sein oder ihn sogar ganz real aus haben, so wie ihr Status durch unsichtbar schon auf "aus" steht. Zum Glück ist mir das nur selten passiert.

Der unsichtbar Status wird für mich nur noch getoppt von denen, die durch (juhu!) Smartphones jetzt ständig online sein können. Dadurch sind einige Leute (fast) dauerhaft online in Chat-Programmen, aber mit Abwesenheits-Status. Ihren Status als wahr angenommen, schreibe ich diese Leute in den aller meisten Fällen nicht an. Entweder sind sie wirklich gar nicht an ihrem Handy/Computer erreichbar oder wollen vielleicht nicht gestört werden. Also schreibe ich sie nicht an. Das ist in Ordnung für mich. Wirklich. Es wirft nur auch die Frage auf, warum sie überhaupt online sind.

Die Antwort ist wahrscheinlich facebook. Die halbe Welt (wenigstens) ist auf facebook, also muss ich es auch sein. Immer mehr Leute haben ein Smartphone und damit ein Handy, das internetfähig ist. Also ist es die Gelegenheit, ständig online zu sein, insbesondere auf facebook, wo sowieso die meisten fast ständig online sind. Oder etwa nicht? Welche Panik erst, wenn der Akku vom Smartphone unvorhergesehen seinen Geist aufgibt und man möglicherweise gerade unterwegs ist und nicht aufladen kann. Ich kann nicht mehr lesen, was mir andere auf facebook geschrieben haben! Buhu! Auf der wikipedia Seite über facebook ist unter dem Abschnitt Ausstieg das Ergebnis einer Studie der Universität Wien von 2013 nachzulesen, wonach 48% sich abmelden, weil sie sich Sorgen um ihre Privatsphäre machen. Es ist auch der Hauptgrund, warum ich mich gar nicht erst anmelden will. Zumal unter dem nächsten Abschnitt Kritik, zu lesen ist, dass Arbeitgeber das facebook Konto von Angstellten beobachtet und diese daraufhin gekündigt haben wegen Nachrichten, die sie dort geschrieben haben. Danke, aber nein danke. Das brauche ich nicht. 6% der Studie über den Ausstieg bei facebook gaben an, dass facebook süchtig macht. Danke, mir reicht das Internet schon als Suchtfaktor genug. Wer mich erreichen möchte, kann mich anrufen, mir eine E-Mail schreiben oder mit Chat-Programmen chatten. Ich muss mich nicht noch auf einer Seite anmelden, um mit meinen Freunden in Kontakt zu bleiben. Die wirkliche Welt ist immer noch da draußen, außerhalb von Bildschirmen, wo man den ganzen Menschen sehen kann und gemeinsam etwas unternehmen kann in der realen Welt.

In der ersten Folge mit dem 11. Doctor von "Doctor Who" ("The Eleventh Hour"/"Fünf vor zwölf") verdunkeln Aliens für die Menschen auf der Erde die Sonne und bereiten sich vor, die Erde zu verbrennen. Der Doctor steht draußen und schaut sich die Menschen an, die nichts besseres zu tun haben, als das Schauspiel der Sonne mit ihrem kamerafähigen Handy zu filmen oder fotografieren. Der Kommentar des Doctors dazu macht mich persönlich höchst traurig: "Da kommen sie auch schon. Die Menschheit erlebt ihr eigenes Ende wie erwartet: durch die Linse eines Fotohandys."

Nennt mich egoistisch, arrogant, altmodisch oder was auch immer an negativen Beschreibungen einfällt. Aber ich selbst möchte nicht Teil einer Gesellschaft sein, in der ich immer und ständig online erreichbar sein muss und obwohl ich online diesen Blog hier schreibe, muss ich nicht jedes kleine bisschen meines Lebens online festhalten. Die Folge "Die Glocken von Saint John" (Staffel 7, Folge 7) fasst der Doctor in einem Moment der Ruhe die Situation bisher, wie er sie versteht wie folgt zusammen: "Diese ganze Welt schwimmt im WLAN. Wir leben in einer WLAN-Suppe. Angenommen, etwas drang darin ein. Und angenommen, es wäre etwas Lebendiges im WLAN, das menschliche Intellekte erntet, sie extrahiert. Stell dir das vor. Menschlichen Seelen, gefangen wie die Fliegen, im World Wide Web, stecken auf ewig fest, schreien um Hilfe." Claras Kommentar darauf: "Ist das nicht im Prinzip Twitter?"

Verschwindet alle im Internet. Registriert euch alle bei facebook und twitter. Ich werde dann zwar nichts mehr von euch mitbekommen, weil ich bei beiden nicht angemeldet bin. Aber was soll's. Wenn Kommunikation heute reduziert ist auf facebook und twitter, dann sage ich hiermit lebet wohl. Vielleicht sehen wir uns wieder, wenn die Welt aufhört zu existieren oder schon, wenn der dritte Weltkrieg ausgebrochen ist. Ich habe die Vermutung, dass beides nicht (nur) online geschehen wird.

Bis zum nächsten Blog,

sarah

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