Samstag, 27. September 2014

Erinnere dich nicht zu vergessen

Liebe Leserinnen und Leser,

ich denke, Albert Einstein hatte Recht, als er sagte: "Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten." Leider passiert das viel zu oft und viel zu schnell, wenn man etwas sucht und nicht findet. Jedenfalls geht es mir so. Ganz aktuell ist mir das vorgestern passiert.

Normalerweise habe ich ein paar ausgewählte Dinge nur an sehr wenigen Plätzen und nirgends sonst. Ich habe mir dieses Verhalten angewöhnt und automatisiert, damit ich meine Hausschlüssel beispielsweise nicht lange suchen muss und nicht verlieren kann. Die Schlüssel zur Wohnung meines Vaters etwa habe ich eigentlich immer in einem bestimmten Rucksack und dort in einer ausgewählten Innentasche. Allerdings war ich einige Tage vorher noch mit einem anderen Rucksack zwar nicht bei meinem Vater, aber ich hatte vorsichtshalber die Schlüssel mit, weil ich in der Nähe war. Ich hatte in der Zeit bis vorgestern auch immer wieder die Schlüssel in der anderen, untypischen Tasche gesehen. Ich wusste also, wo die Schlüssel waren. In der Vordertasche vom kleineren Rucksack. Dort hatte ich sie die Tage bis vorgestern immer wieder gesehen, wenn ich den Rucksack in der Hand hatte und die vordere Tasche auf gewesen war. Nachgeschaut habe ich aber nur das große Fach und auch den großen Rucksack mehrmals(!) komplett ausgeräumt. Ich brauchte gut eine Viertelstunde, bis ich endlich noch einmal den kleineren Rucksack griff und in der vorderen Tasche die Schlüssel wieder fand.

Vor Jahren suchte ich einmal eine Sonnenbrille mit blauen Gläsern, die ich gehabt hatte. Aber hatte ich sie immer noch? Früher trug ich immer eine Brille. Erst seit einigen Jahren trage ich nur manchmal eine. Deshalb hatte ich die Sonnenbrille mit den blauen Gläsern nie getragen, weil sie ohne Stärke in den Gläsern waren und damit nicht so nützlich für mich. Hatte ich also die Brille überhaupt noch? Sämtliche Schubladen von insbesondere 2 Schränken bei mir schaute ich nach, auch zwei Schubladen im Flur schaute ich nach. Mehrmals. Weil es ja so viel Spaß macht und plötzlich die größten Dinge so klein und versteckt sein könnten, dass man sie übersieht. Nach dem zweiten Mal dachte ich an Einstein. Nach dem dritten Mal schimpfte ich über mich selbst, schon wieder und nochmal alles durch zu suchen, obwohl ich schon vorher nichts gefunden hatte. Ich dachte mir: „Ich gehe jetzt ins Wohnzimmer meine Mutter fragen. Eventuell habe ich die Brille ja gar nicht mehr. Dann bringt auch 100 Mal suchen nichts. Vielleicht weiß sie etwas. Wenn ich die Brille aber noch habe, vertraue ich mir und meinem Unbewussten und wünsche mir, dass ich zur richtigen Schublade gehe, um sie dort endlich zu finden.“ Ich ging also zu meiner Mutter. Sie wusste zwar, was ich suchte, aber konnte mir nicht sagen, ob wir die Brille noch hatten oder wenn ja wo. Ich ging zurück in mein Zimmer. Zielsicher fand ich mich stehend vor der Kommode, wo die Meerschweinchen mit ihrem Käfig stehen. Es gibt eine Schublade dort, wo ich Kecken, Ohrringe und auch eine größere Lupe mit einem Horn als Griff aufbewahre. Wenn überhaupt wäre die Brille dort. Die anderen Schubladen enthalten Papier, Notizbücher und Notizen. Ich zog die Schublade weit heraus und relativ weit hinten lag tatsächlich in ihrer schmalen blauen Hülle aus Pappe die Brille mit den blauen Gläsern. Ich dankte meinem Unbewussten, mich so zur Brille geführt zu haben.

Viele Wissenschaftler sind sich mittlerweile einig, dass unser Gehirn nichts vergisst und wir uns, theoretisch, an alles erinnern können, was jemals war. Die einzelnen Informationen werden lediglich von anderen Erlebnissen und Informationen überlagert und geraten dadurch teils so sehr in den Hintergrund, dass wir sie scheinbar vergessen. Methoden wie ein Gedächtnispalast können helfen, Gedanken und Erinnerungen im Gedächtnis zu ordnen und sortieren und damit schneller abrufbar und "griffbereit" zu haben.

Dr. John Watson beschreibt die Funktionsweise eines Gedächtnispalastes recht gut in "Die Hunde von Baskerville" (Sherlock Staffel 2, Episode 2). Sherlock Holmes weiß, dass er wichtige Informationen in seinem Kopf hat "irgendetwas. Ganz tief vergraben." Er schickt John und Dr. Stapleton aus dem Raum, er würde jetzt in seinen Gedächtnispalast gehen.
"Seinen was?" Stapleton ist verwirrt.
John erklärt ihr: "Ach, seinen Gedächtnispalast. Das ist eine Mnemotechnik. Eine Art mentaler Karte. Man entwirft eine Karte von einem bestimmten Ort, der nicht real sein muss und dann legt man dort Erinnerungen ab. Theoretisch kann man so nie etwas vergessen. Man muss nur den Weg dort hin zurück finden."
"Und dieser imaginäre Ort könnte alles mögliche sein?, fragt Stapleton. "Ein Haus? Eine Straße?"
"Ja", bestätigt John.
"Aber er hat Palast gesagt", platzt Stapleton heraus. "Es wäre ein Palast!"
"Ja, das sieht ihm ähnlich, oder?", sagt John daraufhin fast gelangweilt und vielleicht ein bisschen genervt von seinem Freund, der mit einem Palast in seinem Kopf angeben muss.

Der Weg zur Information oder Erinnerung ist tatsächlich auch entscheidend und muss nicht immer mental gegangen werden oder im Gedanken visuell sein, gesehen werden. In Dynamic Learning von Robert Dilts und Tod Epstein, beschreibt Epstein seine Arbeit mit ein älteren Dame. Mit schwindender Sehkraft traten bei ihr auch Probleme auf, sich an gewisse Dinge zu erinnern, was sonst vorher unproblematisch gewesen war. Epstein stellte fest, dass die Dame visuell war und in Bildern dachte, um an die Erinnerungen zu kommen. Da aber ihre Sehkraft gerade nach ließ, bekam sie auch Schwierigkeiten, in ihrem Kopf zu sehen. Epstein half ihr dabei, auf anderen Wegen, mit anderen Sinnen an Erinnerungen zu kommen. Daraufhin verbesserte sich ihre Erinnerungsfähigkeit wieder deutlicher. Vor Dynamic Learning hatte ich nur von Thomas Harris Büchern vom Gedächtnispalast gelesen und durch Derren Browns Buch Tricks Of The Mind angefangen auch in meinen Gedanken systematischer zu sein und mir etwas in der Art aufzubauen. Der Hinweis, dass auch die Art, also mit welchen Sinnen, wir zur Information kommen, relevant ist, war für mich ein neuer und wichtiger Aspekt. Für mich persönlich hat es bisher noch nichts merklich verändert in der Art, wie ich mir Informationen merke. Trotzdem ist es etwas, was gerade Personen, die mit anderen Menschen arbeiten, insbesondere älteren, im Kopf haben sollten. Scheinbare Erinnerungslücken müssen nicht unbedingt etwas damit zu tun haben, sich nicht zu erinnern.

Bis zum nächsten Blog,
sarah

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